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joggelich
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Mi Jul 08, 2020 12:09 am
Besuche in den 1950er Jahren
von Jutta Loose
Heute, im Zeitalter der Digitalisierung, ist es nur schwer vorstellbar, wie Verabredungen zu Besuchen ohne Telefon, Handy, WhatsApp oder E-Mail, möglich waren. Dennoch wurden Freundschaften und eine gute Nachbarschaft regelmäßig und intensiv gepflegt, und auch die Verwandten kamen dabei selbstverständlich nicht zu kurz. Es war üblich, dass die engsten Freunde und Verwandten zum Geburtstag ohne […]

https://unser-quartier.de/zzb-muelheim/2020/07/besuche-in-den-1950er-jahren/


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Mi Jul 08, 2020 12:27 am
Die erste kleine, etwas abenteuerliche Reise nach dem Krieg


von Brigitte Reuß
Von Eva Timm Meine Eltern und ich konnten im April 1945 mit einem der letzten Züge aus Berlin wegfahren und hatten natürlich sehr viel zurücklassen müssen. Was mag wohl aus all dem geworden sein? Die nach der Ausbombung noch vorhandenen Möbel, die im Olympiastadion untergestellt waren, das Mietshaus in Neukölln, die wertvollen Dinge im Bankschließfach […]

https://unser-quartier.de/zzb-muelheim/2020/07/die-erste-kleine-etwas-abenteuerliche-reise-nach-dem-krieg/
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Monika56
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Mi Jul 08, 2020 9:35 am
Lieber Joggeli,

den ersten Beitrag habe ich schon gelesen. "Besuche in den 1950 er Jahren".
So war es damals tatsächlich. Fast alles was dort beschrieben wurde, hat sich auch 1:1 bei uns zu Hause abgespielt.
Der Artikel könnte quasi aus meiner Feder stammen.
Die Verwandtschaft, das Essen, die Nachbarn usw.
Das alles kann man heute vergessen. Ich trauer dieser Zeit nach.

Herzliche Grüße

Moni
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joggelich
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Mi Jul 15, 2020 3:52 pm
Zeitzeugen Holundersaft-einweckej8k55

Vorratshaltung und Einkauf in den 1950er Jahren

15. Juli 2020 von Jutta Loose

Wenn wir heute durch einen Supermarkt gehen, gibt es alles an Nahrungsmitteln in reichlicher Auswahl und diversen Packungsgrößen. Die Vielfalt der Angebote ist oft irritierend, so dass einem die Auswahl eines Produktes nicht leicht fällt. Das war aber nicht immer so.

In meiner Kindheit wurden größere Einkäufe einmalig wöchentlich erledigt. Das bedeutete, dass ein langer Fußweg in die Innenstadt von Mülheim nach Oberhausen zurückgelegt werden musste, da es in unserer Gegend mit der Infrastruktur haperte und es somit keine Busverbindung gab, welche eine enorme Entlastung für die Hausfrau gewesen wäre. Den schweren Einkauf in Tasche und Netzen nach Hause zu tragen, bedeutete schon eine erhebliche Mühe.

Ein kleines Lebensmittelgeschäft war zwar in unserer Wohngegend vorhanden, aber es fehlten ein Metzger, ein Bäcker, eine Drogerie sowie eine Apotheke, ein Fischgeschäft, der Markt u.s.w.

Was unsere Ernährung betraf, so war diese vielseitig und abwechslungsreich, denn wir besaßen einen großen Garten, in dem eine Vielzahl von Gemüsesorten angebaut werden konnte. Dort gab es ebenfalls eine große Anzahl an Obstbäumen sowie Beerensträucher.

Meine Mutter war eine hervorragende Köchin und Hausfrau und bereitete für uns täglich ein gesundes, frisches Essen zu, welches auch appetitlich angemacht auf den Tisch kam. Über das gesamte Jahr verteilt waren wir vom Apfel bis zur Zwiebel immer gut versorgt. Die letzte Ernte aus dem Garten war der Grünkohl, denn er musste, damit er gut schmeckte, den ersten Frost mitbekommen haben.

Eier gab es täglich frisch von den Hühnern meiner Großeltern, und als die Hühner das Legen nach und nach einstellten, kauften wir die Eier nach Bedarf in unserem kleinen Lebensmittelgeschäft. Die Hühner wurden niemals geschlachtet, sie verstarben allesamt an Altersschwäche.

Unsere Ernährung war somit ganzjährig gesichert, zumal meine Mutter auch das Einwecken von Obst- und Gemüse für den Winter als Vorratshaltung reichlich sicherstellte. Natürlich war dies eine aufwendige Tätigkeit. Zunächst ernteten wir das Obst und Gemüse, es wurde mehrmals gewaschen und in mundgerechte Stücke geschnitten, um dann in die sauberen Weckgläser verteilt zu werden. Es kam Wasser hinzu, bei Obst noch Zucker, und bei Essiggurken und roter Bete wurde zuvor ein Sud aus verschiedenen Gewürzen aufgekocht. Anschließend wurden die Gläser mit einem Gummiring, der vorher in Salzwasser gekocht wurde, und dem Glasdeckel und einer entsprechenden Metallklammer verschlossen. Danach kamen sie in den Einkochkessel, der je nach Obst – oder Gemüsesorte nur eine bestimmte Temperatur erreichen durfte. Diese konnte an einem Thermometer, welches aus der Mitte des Deckels von dem Einkochkessel herausragte, abgelesen werden. War der Garvorgang abgeschlossen, mussten die Gläser mit dem Einkochst ruhen. Erst am nächsten Tag konnten die Verschlussklammern entfernt werden und die Gläser kamen in die dunkle Vorratskammer.

Ebenso fermentierte meine Mutter verschiedene Kohlsorten und die von uns so geliebten Schnippelbohnen, aus denen in den Wintermonaten Eintöpfe zubereitet wurden. Für die Schnippelbohnen gab es  ein Gerät, welches wie der Fleischwolf an der Tischkante befestigt wurde. Das Gerät hatte eine schmale Öffnung, in die jeweils eine Stangenbohne hinein gegeben wurde. Eine am Gerät befestigte Kurbel wurde gedreht und aus der Öffnung kamen die Schnipsel der Bohne heraus.

Von den Beeren unserer zwei Holunderbäume wurde ein Saft angefertigt und in Flaschen abgefüllt. Er diente im Winter als Unterstützung zur Besserung der Symptome bei Erkältungskrankheiten.

Von den roten und schwarzen Johannisbeeren wurde Likör angesetzt. In eine Flasche kamen etwa 1/3 Beeren und der Rest des  Inhaltes wurde mit braunem Kandiszucker und einem guten Weizenkorn aufgefüllt. Seinen besten Geschmack und die Konsistenz entwickelte der Likör in seiner Intensität so richtig nach mehreren Jahren der Lagerung. So gab es immer etwas Alkoholisches zum Anbieten, wenn Gäste kamen.

Als meine Eltern keine  Kartoffeln mehr selber angepflanzten, wurden welche zum Einkellern bei einem Bauern in unserer Nähe gekauft, der sie uns mit dem Pferdewagen lieferte, so dass wir damit „gut über den Winter kamen“, wie man es damals nannte. Ebenfalls wurden späte Apfel- und Birnensorten im Keller gelagert und in der kalten Jahreszeit noch gut erhalten verzehrt.

Eine große Menge von Gläsern mit selbst hergestellter Marmelade und Gelee verschiedenster Obstsorten sowie Pflaumenmus füllten im Keller viele Regale und bereicherten unseren Frühstückstisch.

Kuchen, meistens Rührkuchen der unterschiedlichsten Art, wurden an den Wochenenden gebacken und reichten meistens bis zur Wochenmitte. An den Tagen, an denen es keinen Kuchen gab, wurde zum Kaffee Stuten oder Brot mit Marmelade gegessen oder auch selbst gebackene Kekse.

Erwähnen möchte ich noch, dass die Mahlzeiten bei uns immer gemeinsam eingenommen wurden, wenn es die Dienstzeit meines Vaters erlaubte. An den Wochenenden war es sowieso der Fall, was wir als kleine Familie sehr genossen haben.

Ich habe versucht, die Erzählung, was unsere Nahrungsbeschaffung betraf, gerafft darzustellen. Wäre sie in Einzelheiten aufgeführt und hätte ich unsere Essgewohnheiten im Detail erwähnt, wäre sie natürlich wesentlich länger ausgefallen. Rückblickend kann ich nur sagen, es war eine gute Zeit.

Wenn ich Holunder lese, muss ich immer an Bischof Huonder denken:
https://www.zhkath.ch/kirche-aktuell/kirche-im-kanton/abruenniger-traditionalistenbischof-entlarvt-bischof-vitus-huonder
Dies könnte ein Fake sein, passen zu Honder und dem Bistum Chur passt es alleweil. Schon Bischof Haas, der  streng nach dem Peters-Prinzip zum Erzbischof von Vaduz befördert wurde - Das neue Erzbistum war Teil des Bistums Chur und wurde extra geschaffen, damit Rom den Problem-Bischof wegbefördern konnte  - , war ein erzkonservativer Extremist. Jetzt ärgert er dafür die Einwohnerschaft ders Ländle (Fürstentum Liechtenstein), ungemein.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/luxusgrab-fuer-erzbischof-haas/story/22614686
(Könnt Ihr den Link lesen?)

Siehe auch:
https://www.kathbern.ch/pfarrblatt-bern-angelus-biel/pfarrblatt-bern/dossiers/huonder-und-die-homosexualitaet/
(Huonder wird zwar kaum wollen, dass Homosexuele gesteinigt weden. Aber allein vor Jugendlichen sowas zu zitieren, ist skandalös.)
oder
https://www.zhkath.ch/kirche-aktuell/kirche-im-kanton/abruenniger-traditionalistenbischof-entlarvt-bischof-vitus-huonder

Joggeli


Zuletzt von joggelich am Mi Jul 15, 2020 4:06 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Mi Jul 15, 2020 4:03 pm
Zeitzeugen Vw-kfer_car-1283947_1nekh1

Kurzurlaub ins Sauerland

15. Juli 2020 von Jutta Loose
Reisen standen bei uns in den 1950er Jahren nicht auf dem Plan, denn meine Eltern waren in den ersten Jahren ihrer Ehe damit beschäftigt, sich eine finanzielle Grundlage zu schaffen und für uns einen gewissen Wohlstand herzustellen. Weiter hatten sie schon damals den großen Traum, ein eigenes Haus zu besitzen, den sie nicht aus den Augen verloren und welcher Anfang der 1960er Jahre endlich wahr wurde.

Somit waren wir in meinen Schulferien immer zu Hause, was mich jedoch nicht störte, denn wir unternahmen bei gutem Wetter Ausflüge in die nähere Umgebung: Mit einer Freundin und deren Mutter besuchte ich das Freibad oder ich spielte mit meinen Freundinnen und Freunden, die ebenfalls keine Urlaubsreise mit der Familie unternahmen.

Dennoch gab es eines Tages eine Ausnahme. In den Sommerferien 1958 fuhren wir mit Freunden meiner Eltern in einem VW-Käfer nach Brilon ins Sauerland, um befreundete Bekannte unserer beider Familien zu besuchen, die dort ein Hotel besaßen.

Die Hinreise in dem Auto bei hochsommerlichen Temperaturen, war eine Belastung für uns alle, denn Klimaanlagen gab es noch nicht. Ebenfalls waren die Straßen teilweise auch eine Herausforderung für das vollbesetzte Auto. Wir fuhren mit 2 Wagen, da die ältere Tochter der Freunde schon im Besitz eines Führerscheines war und einen kleinen Fiat fuhr.

Vor Antritt der Fahrt kam von dem Fahrer die obligatorische Frage:„ Wart ihr auch alle noch mal auf dem Klo?“ Wir lachten immer herzlich darüber. Doch nach etwa ½ Stunde Fahrzeit wusste ich genau, warum er diese Frage gestellt hatte.

Wir waren noch nicht lange unterwegs, da wurden die in Pergamentpapier verpackten Brotscheiben, mit Leberwurst und Käse belegt, aus der Tasche hervorgeholt und verteilt. Die hartgekochten Eier, Essiggurken und Frikadellen durften natürlich auch nicht fehlen und wurden von uns verputzt. Innerhalb kürzester Zeit roch es in dem Auto wie in einer Werkskantine, so dass unser Fahrer die winzigen Kippseitenfenster nach außen stellte, natürlich mit dem Kommentar, die Sitze nicht zu verschmutzen.

Die Fahrt verbrachten wir in ausgelassener Stimmung, es wurde gemeinsam gesungen, und nach einigen Stunden erreichten wir unser Ziel, wo wir auf das Herzlichste von den Bekannten empfangen wurden.

Nachdem wir uns in unseren Zimmern eingerichtet hatten, gingen wir los, um gemeinsam die Umgebung zu erkunden. Das Hotel, ein gepflegtes Fachwerkgebäude, befand sich außerhalb des Ortes direkt am Waldrand gelegen.

Während sich die Erwachsenen angeregt unterhielten, streiften wir Jugendlichen durch den Wald oder spielten mit unseren mitgebrachten Gesellschaftsspielen.

Abends wurde feudal gespeist und anschließend zur Musik einer kleinen Kapelle getanzt. Alle waren fröhlich und guter Dinge. Die nächsten beiden Tage waren bestückt mit Ausflügen, Essen, Ruhen im Liegestuhl, Schwimmen in einem nahegelegenen Baggersee und stundenlangen Unterhaltungen.

Viel zu schnell ging die schöne Zeit in der herrlichen Landschaft dem Ende entgegen, und Wehmut über den Abschied machte sich bei allen breit.

Auf der Rückreise machten wir auf einem Rastplatz eine kleine Pause. Die Erwachsenen wollten sich die Beine vertreten, und wir Jugendlichen bekamen plötzlich Appetit auf Süßigkeiten. Da fiel mir ein, wir hatten eine Tafel Schokolade bei unserer Abfahrt, also 3 Tage zuvor, ins Handschuhfach gelegt. Die Sonne hatte den Wagen tagsüber enorm erhitzt. Die jüngste Tochter der Freunde holte die Tafel aus dem Fach, riß, ohne weiter zu überlegen das Papier auf, und die flüssige Schokolade spritzte nur so durch die Gegend und lief an ihren Händen herunter. Ihre Kleidung war von oben bis unten voller Schokoladensprenkel und plötzlich –wir schauten uns an – brachen wir in ein schallendes Gelächter aus, so dass wir kaum noch Luft bekamen. Wir haben uns allesamt gebogen vor Lachen und hatten dadurch eine lustige Heimreise.

Dies war mein erster Kurztripp in die weite Welt. Es waren zwar nur drei Tage, aber sie haben uns viel Freude bereitet.
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Do Jul 16, 2020 12:51 pm
Lieber Joggeli,

danke für die Präsentation dieser Reportage.
Das erinnert mich an meine Kindheit.

Wir waren noch nicht lange unterwegs, da wurden die in Pergamentpapier verpackten Brotscheiben, mit Leberwurst und Käse belegt, aus der Tasche hervorgeholt und verteilt. Die hartgekochten Eier, Essiggurken und Frikadellen durften natürlich auch nicht fehlen und wurden von uns verputzt.


Denn das habe ich auch so ähnlich erlebt.
Meine Tante und mein Onkel, deren Tochter und ich fuhren sehr oft zum Picknick in den Wald. (Mein Vater hatte zu der Zeit 1963 noch kein Auto). Die klappbaren schmalen Camping-Stühle, sowie der Tisch wurde aus dem nagelneuen BMW 700 herausgeholt, und dann vertilgten wir den selbstgefertigten Kartoffelsalat, die Würstchen und die Frikadellen.  


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Syl

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Do Jul 16, 2020 12:56 pm
Die Todesfabrik Auschwitz - Ein Tag in Auschwitz | Doku HD

Die Todesfabrik Auschwitz sollte ihre "Effizienz" 1944 noch steigern. Täglich starben Tausende Juden. Was die Opfer erlebten und die Täter antrieb, zeigen erschütternde Zeugnisse. Vor 75 Jahren, am 27. Januar 1945, befreite die Rote Armee Auschwitz. Der Ort gilt heute als Synonym für den Holocaust. Der Film erzählt aus Sicht der Opfer und einiger Täter von einem Tag in Auschwitz im Mai 1944 – auch an diesem Tag war der Massenmord Routine. Ausgangspunkt für den Film ist ein einzigartiges Dokument, das sich in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem befindet: ein Fotoalbum von Auschwitz, angelegt von den SS-Tätern selbst. Fast alle Fotos darin entstanden Ende Mai 1944, an nur wenigen Tagen. Sie zeigen die grausame Routine im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau: die Ankunft der jüdischen Opfer in vollgepackten Viehwaggons, ihre "Selektion" auf der Rampe in Arbeitsfähige und Todgeweihte, den Raub ihres Eigentums und die Verwandlung all derer, die nicht gleich getötet wurden, in kahl rasierte, uniformierte Arbeitssklaven.

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Di Aug 04, 2020 12:13 am
Liebe User,

am 6. und 9. August gehen Hiroshima und Nagasaki in Flammen auf. Hunderttausende Menschen sterben, viele erst nach langem Leiden Jahre und Jahrzehnte später. Einige heute noch lebende Atombombenopfer kommen im Film zu Wort.

Hiroshima, Nagasaki - Atombombenopfer sagen aus (ZDFkultur, 06.08.2015)



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Di Sep 08, 2020 12:41 am
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Heute vor 80 Jahren
Luftschlacht um England In der Nacht des 7. September 1940 starten die Nationalsozialisten eine Welle von Luftangriffen auf London, um die Kapitulation der Hauptstadt zu erzwingen. Die deutsche Luftwaffe bombardiert die Stadt in den folgenden 8 Monaten und 5 Tagen fast ununterbrochen. Die britische Presse tauft die Bombardierung «The Blitz». (red) Foto: Photo12/Universal Images Group v
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Do Okt 01, 2020 6:18 pm
Corona – Wie bin ich damit umgegangen?
30. September 2020 von Jutta Loose

Als uns die ersten Nachrichten aus China übermittelt wurden, dass ein neues Virus mit voller Wucht das Leben vieler Menschen dort gefährden würde, wurde ich hellhörig. Die Bilder, die wir im Fernsehen übermittelt bekamen, nahmen täglich an Heftigkeit zu, so dass sich bei mir ein ungutes Gefühl einstellte.

Allerdings wähnte ich mich zu der Zeit noch in Sicherheit. Als jedoch die Infektionen die Firma Webasto in München erreichten, verwandelte sich das ungute Gefühl in eine gewisse Angst. Anfang März steigerten sich in Deutschland aufgrund zunehmender Erkrankungen die Infektionszahlen. Meine innerliche Unruhe in den ersten zwei Wochen der Pandemie stieg an und drohte, mich aus der Bahn zu werfen. Unendlich viele geführte Gespräche mit meinem Mann und Freunden konnten mich nicht wieder in meine sonst so ruhige und sichere Art zurückversetzen. Meine bekannte Resilienz, selbst in kritischen Situationen, geriet ins Wanken. Das Thema Corona blieb in meinen Gedanken und beschäftigte mich von Tag zu Tag mehr.

Während meiner gesamten Berufszeit, ich arbeitete 47 Jahre als Medizinische Fachangestellte in einer Arztpraxis, bin ich immer ruhig, gelassen und psychisch belastbar an entsprechende Situationen, wie die alljährliche Grippewelle, die Schweinegrippe, EHEC und SARS, herangegangen, habe nie den Kontakt zu den Patienten gescheut. Ich hatte den nötigen Respekt vor diesen Infektionen, aber keine Angst.

Mit dem Auftreten von Covid-19 veränderte sich dann aber sukzessive von Tag zu Tag unser aller Leben. Plötzlich war alles anders. Wir bekamen am 22. März 2020 den Lockdown, wir sahen unsere Familien, Freunde und Bekannte plötzlich nicht mehr. Das oberste Gebot lautete:

A b s t a n d halten, Kontakte meiden und Hände waschen.

Die Kontakte zu meiden galt besonders zwischen Alt und Jung, denn die älteren Menschen ab 65 Jahren und diejenigen, die an einer Vorerkrankung litten, wurden als Risikogruppen eingestuft, die geschützt werden sollten.

Kinder konnten zur Betreuung nicht mehr in die KiTa und Schüler nicht mehr in die Schule. Die Wirtschaft wurde heruntergefahren, und so könnte ich mit Beschreibungen beliebig fortfahren.

In den Krankenhäusern wurden die Intensivstationen in großer Anzahl aufgerüstet und reichlich Beatmungsgeräte angeschafft. Besonders tragisch war, dass die Pflegebedürftigen und die Bewohner in den Altenheimen von ihren Angehörigen über Monate nicht mehr besucht werden konnten. Das Pflegepersonal in den Krankenhäusern und den Alten/Pflegeheimen kamen physisch und psychisch an ihre Belastungsgrenze.

Niemand von uns hätte sich eine solche Situation jemals vorstellen können. Nach und nach wurden alle Geschäfte geschlossen, nur die Versorgung durch Lebensmittelgeschäfte, Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken und Drogerien, war gewährleistet. Natürlich ging der Online-Handel weiter und wurde reichlich frequentiert, sodass nunmehr die Auslieferer an ihre Grenzen kamen, ebenfalls die LKW-Fahrer, die täglich dafür Sorge trugen, dass unsere Versorgung mit Lebensmitteln und wichtigen Utensilien des Alltags in die Geschäfte kamen.

Gegen Szenarien, die mein Mann mir aufzeichnete, was alles durch das Virus auf uns zukommen könnte, verwahrte ich mich vehement, wollte einfach nichts darüber hören. Heute weiß ich, dass er mit all seinen Prophezeiungen im Recht war.

Die Bilder aus Bergamo in Italien, die mich ebenso erschütterten wie zuvor Bilder aus China, sorgten dafür, dass ich damit begann, mich der auf uns zukommenden Situation zu stellen. Ich wurde immer nachdenklicher, stiller und war oft in Gedanken versunken, wie es weiter gehen sollte, wenn auch wir infiziert würden. Frankreich und Spanien waren durch ein hohes Infektionsaufkommen ebenfalls in einer katastrophalen Situation und schon bald die ganze Welt.

Mein Mann und ich besprachen unsere Vorgehensweise, sollte eine COVID-19-Infektion mitsamt Intensivbehandlung und Beatmung bei uns eintreten. Ich begann eine gewisse Vorsorge zu treffen, was für mich bedeutete: Ich musste gewährleisten, dass wir über eine längere Zeit gut einer Infektion entgehen können, wenn genügend Vorräte im Haus vorhanden sind. Also habe ich ganz systematisch Nahrungsmittel aufgeschrieben, die zu unserer Essgewohnheit gehörten, und die wir gerne mochten. Bei Bofrost habe ich eine Bestellung aufgegeben, die auch etwa 3 Wochen zum Einsatz kommen konnte, wobei Kuchen auch dazu gehörte, denn auf die Tee-und Kaffeestunde unsererseits sollte nicht verzichtet werden.

Generell haben wir immer Vorrat im Haus, mit dem wir 8-10 Tage gut über die Runden kommen, also brauchte ich keine Hamsterkäufe bewerkstelligen. Ebenfalls hatten wir kein Toilettenpapier-Problem. Brötchen, Stuten und Brot wurde eingefroren. Obst und Gemüse wurde nach unserem Speiseplan, den ich mir für die nächsten 14 Tage blitzschnell ausgedacht hatte, entsprechend besorgt und teilweise auch sofort eingefroren. Für den Fall, dass Obst knapp würde, habe ich Trockenobstsorten gekauft und reichlich verschiedene Nüsse zur Vitamin- und Mineralienabdeckung. Auch ein Vorrat an Schokolade und ein reichhaltiges Sprudelwasser-Kontingent wurde angelegt.

Als dann der Lockdown, wie schon erwähnt, im März 2020 in Kraft gesetzt war, gab es auch etliche Geschäfte, die uns mit dem, was zu unserem Alltag gehörte, durch einen Bring-Service versorgten. So war unser Buchhändler so freundlich, uns unsere gewünschten Bücher bis vor die Wohnungstür zu liefern. Desgleichen machte die Besitzerin unseres Teegeschäfts. Auch unser Metzger und Lieblingscafé boten einen Lieferservice an.

Was uns sehr berührte, war die Hilfsbereitschaft unserer Nachbarskinder Leonie und Florian, die uns ihre Hilfe anboten, die wir gerne annahmen. Die Freude der Kinder, bei denen wir für ihre Hilfe ihr Taschengeld ein wenig aufbessern konnten, war riesig, sie waren richtig stolz.

Jeder Tag begann damit, dass ich mich über die aktuellen Corona-Zahlen informierte. Jede Fernsehsendung, die über Corona berichtete, schauten mein Mann und ich uns an; dazu noch jede Talkshow, denn was namenhafte Virologen zu berichten hatten, war uns sehr wichtig.

Masken gab es binnen kürzester Zeit nicht mehr, und bis wir endlich aus der Apotheke die FFP2 und die OP-Einmalmasken erhielten, behalfen mein Mann und ich uns, wenn wir das Haus denn doch einmal gezwungenermaßen verlassen mussten, mit den von fleißigen Frauen selbst genähten Mund-Nasenschutz-Masken.

In den nächsten Wochen tätigten wir circa alle 14 Tage unsere Einkäufe, um unsere verbrauchten Lebensmittel und evtl. Hygieneartikel wieder aufzufüllen. Dies war für uns ideal, denn in unserem Nebenhaus befinden sich ein EDEKA-Geschäft und ein Bäcker. Damit die vermehrten Aufenthalte in der Wohnung auch abwechslungsreicher wurden, schlossen wir ein PayTV-Abo bei Netflix ab.

Ansonsten hielten wir uns an die uns vorgegebenen Regeln, hielten telefonisch Kontakt zu den Menschen, die uns lieb und wert waren, mit einigen von ihnen skypten wir. Es meldeten sich Menschen, von denen wir längere Zeit nichts gehört haben, was uns dazu brachte, unsere Kontakte wieder aufleben zu lassen und zu pflegen.

Das Telefon war über viele Wochen für uns das Tor zur Welt. Ich habe in diesen Monaten noch mehr gelesen, sodass der Buchhändler mehrfach einige Bücher liefern mußte. Zwischendurch wurde immer wieder telefoniert, die Hausarbeit erledigt, und ich schrieb Berichte für die Mülheimer Zeitzeugen Börse, bei der ich seit 2011 Mitglied bin. Leider konnten auch diese monatlichen Treffen mit all den netten Menschen nicht mehr stattfinden. Aber auch da wurde eine Lösung von unseren Leitern der Zeitzeugen-Börse gefunden. Anfänglich hielten wir regelmäßig Telefonkonferenzen ab, damit wir zumindest miteinander sprechen konnten. Am 22.07.2020 trafen wir uns zum ersten Mal nach Monaten wieder in einem wunderschönen Garten einer unserer Mitglieder. Dort verbrachten wir einige schöne gemeinsame Stunden.

Zur Zeit führen wir ein anderes Leben. Ob wir unser gewohntes Leben in der Form, wie wir es vor Corona gelebt haben, je wieder bekommen werden, ist eine Frage, die bisher niemand beantworten kann. Ein gewisses Risiko wird wohl immer bleiben, selbst dann, wenn es einen Impfstoff geben sollte. Ich wäre schon sehr froh und beruhigt, wenn ein entsprechendes Medikament oder Impfstoff, welche sich z. Z. noch in den Testphasen befinden, diese abgeschlossen wären, aber die Aussicht darauf steht noch aus und ist vollkommen offen, abwarten heißt die Devise.

Inzwischen habe ich meine Gelassenheit zurück, ich habe mich mit der momentanen Situation auseinander gesetzt und arrangiert. Mein Respekt vor dem Virus ist weiterhin ungebrochen. Ich werde alles dafür tun, um einer Infektion keinen Nährboden bei mir und meinem Mann zu geben. Dabei ist mir die Unterstützung meines Mannes gewiss.Treffen mit Freunden und Bekannten wägen wir, jetzt, wo es die Lockerung gibt, genauestens ab.

Das Tragen der Masken ist für uns kein Problem, sie gehört zur Selbstverständlichkeit, denn wir möchten nicht nur uns, sondern auch unsere Mitmenschen schützen. Nicht nur die unantastbare persönliche Freiheit wird in unserem Grundgesetz benannt und zugesichert, sondern auch das Recht auf den Schutz und die Unversehrtheit der eigenen Gesundheit. Darüber sollten einmal die Menschen nachdenken, die ständig die Sicherheitsregeln brechen und das Gesetz nach Gutdünken für sich auslegen.

Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt in meiner Freiheit – in jeglicher Form – eingeschränkt, geschweige eingesperrt gefühlt. Die Entscheidungen, die von Seiten unserer Regierung getroffen wurden, waren vollkommen richtig und auch notwendig. Wir haben diese erste Welle der Pandemie dadurch bestens bewältigen können. Störend und unangebracht war – aus meiner Sicht – die Verunsicherung der Bevölkerung durch immer wieder vorpreschende Ministerpräsidenten, denen die Lockerungen nicht schnell genug vonstatten gingen. Da hätte auch mit einer „Stimme“ gesprochen und erklärt werden müssen, so hätte es mehr Verständnis für manche Entscheidung geben können.

Denn eines ist sicher, das Virus hat einen langen Atem. Mögen wir es alle gemeinsam in den Griff bekommen und nicht nach den Regeln der Befindlichkeit einiger Menschen.

Dass unsere Wirtschaft wieder in Gang kommen muss, ist eine Selbstverständlichkeit, auch dies muss mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen geschehen. Dort, wo viele Menschen arbeiten, sollten überall Testungen auf COVID-19 durchgeführt werden. Je mehr versteckte Infektionsherde gefunden werden, je mehr kann Vorsorge getroffen werden.
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Do Okt 01, 2020 7:26 pm
Lieber Joggeli,

einen sehr interessanten Tatsachenbericht hast du hier in das Forum hineingesetzt.
Vielen Dank dafür.


Denn eines ist sicher, das Virus hat einen langen Atem. Mögen wir es alle gemeinsam in den Griff bekommen und nicht nach den Regeln der Befindlichkeit einiger Menschen.

Liebe Grüße
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Do Okt 01, 2020 11:02 pm
Liebe Monika

Wir Schweizeer werden in Zukunft hundertprozentig gesichert sein. Unsere neuen Abfangjäger werden künftig alle Viren abschiessen.

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Mi Okt 07, 2020 2:22 am
Woher Rosa Luxemburg kam
Biografische Annäherung Wer war die Familie der Aktivistin aus Zamo? Zwei Autoren machten sich auf Spurensuche im Osten und wehren sich mit ihrem Buch gegen Geschichtszensur.

Zeitzeugen Ajvj5l
Rosa Luxemburg: Die einflussreiche politische Theoretikerin in den 1910er-Jahren. Foto: Keystone

Thomas Urban, BaZ 26.10.2020


Auf Druck des polnischen Kulturministeriums haben Gemeindearbeiter vor zwei Jahren eine Gedenkplatte an einem unscheinbaren Haus im Barockstädtchen Zamo entfernt: Sie erinnerte daran, dass dort 1871 Rosa Luxemburg, die Theoretikerin und Vorkämpferin der internationalen Arbeiterbewegung, geboren wurde. Dem nationalpatriotischen Lager an der Weichsel gilt sie traditionell als «Polenfeindin», auch stammte die Gedenktafel aus der Zeit der Volksrepublik, Grund genug also für die nationalistischen Bilderstürmer, sie zu liquidieren.

Dieser Akt der Geschichtszensur war für den polnischen Journalisten Krzysztof Pilawski, der viele Jahre Korrespondent links ausgerichteter Medien in Moskau war, und den Historiker Holger Politt, den Leiter des Warschauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Anlass, den Spuren der Aktivistin der verbotenen polnischen Sozialdemokratie nachzugehen und auch die Geschichte ihrer Familie zu rekonstruieren.

Viel Herzlichkeit
Obwohl den nächsten Verwandten ihre politischen Ziele eher fremd waren, hielt sie engen, herzlichen Kontakt zu ihnen. Die Autoren sind kreuz und quer durch Polen und die heutige Westukraine gereist, haben Standesamtsbücher sowie viele Zeitungen durchforstet und in ihrer überaus lesenswerten, lebendig geschriebenen Studie eine ganze Epoche wiederentstehen lassen.

Zamo gehörte seit den Teilungen Polens im 18. Jahrhundert zum Zarenreich. Abraham Luxenburg (der Familienname schrieb sich zunächst mit «n»), der Grossvater der Politikerin, war in Familientradition Tuchhändler, er versorgte die russische Armee mit Uniformen und bekam dafür sogar einen Orden.

Doch dann geriet er wegen Differenzen über einen Liefervertrag in Konflikt mit der Wehr behörde und zog es vor, mit seiner Familie in die damals zu Österreich gehörende Vielvölkerstadt Lemberg, das heute ukrainische Lwiw, überzusiedeln. Abraham Luxenburg war Schwager des berühmten Reformrabbiners Bernhard Löwenstein, der über die Vereinbarung von jüdischem Glauben und moderner Kultur predigte.

Wenig Glück als Geschäftsmann hatte auch Edward Luxenburg, der Vater der Revolutionärin, die später, wie einige ihrer Verwandten, den Familiennamen mit «m» schrieb. Ihr Vater habe «armselige Groschengeschäfte»

Die meisten
Ihrer Angehörigen
standen loyal zur
neu gegründeten
polnischen
Republik.

betrieben, schrieb sie in einem Brief. Doch einer ihrer Onkel wurde reich: Das von ihm gegründete Warschauer Handelshaus Luxemburg KG exportierte Waren nach England und Frankreich, es vertrieb Fahrkarten für Schiffsreisen nach Amerika; der Firmengründer war auch erfolgreicher Spendensammler für die Grosse Syna goge in Warschau.

Einige konvertieren
Aber längst nicht alle Verwandten engagierten sich so sehr für ihren Glauben. Es gab Übertritte zu den protestantischen Gemeinschaften und auch zur katholischen Kirche, möglicherweise Reaktionen auf das zunehmend judenfeindliche Klima in Osteuropa.

Die Wiedergründung Polens 1918 nach 123 Jahren der Teilungen ging einher mit antisemitischen Ausschreitungen in Warschau und vor allem in Lemberg. Den Juden wurde unterstellt, sie seien nicht an der Unabhängigkeit Polens interessiert; in der Tat hatten Vertreter jüdischer Vereine auf eine demokratische Zukunft Russlands gesetzt, nachdem der Zar in der Februarrevolution 1917 gestürzt worden war und die neue Regierung alle diskriminierenden Verordnungen aufgehoben hatte. Auch Rosa Luxemburg hatte sich energisch gegen nationale Alleingänge ausgesprochen.

Doch die meisten ihrer Angehörigen standen loyal zur neu gegründeten polnischen Republik. Ihr älterer Bruder Maxymilian, Facharzt für Infektionskrankheiten, hat als Ministerialbeamter an den Gesetzen über den Achtstundentag sowie Unfall- und Krankenversicherung für Arbeitnehmer mitgewirkt. Der Sohn eines Cousins wurde Staatsanwalt, der Verfahren ausgerechnet gegen Aktivisten der kommunistischen Partei führte.

Jan Luxenburg, der Sohn eines anderen Cousins, wurde polnischer Fussballnationalspieler. Die männlichen Familienmitglieder leisteten Wehrdienst in der polnischen Armee. Im Zweiten Weltkrieg gerieten mehrere von ihnen in sowjetische Gefangenschaft; der Reserveleutnant Jerzy Luxenburg, im Zivilberuf Zahnarzt, gehörte zu den Opfern der Geheimpolizei Stalins im Wald von Katyn, andere Mitglieder der Familie wurden nach Sibirien deportiert.

Noch mehr Luxemburgs und Luxenburgs aber fanden den Tod durch die deutschen Besatzer, im Warschauer Ghetto oder in einem Konzentrationslager - so wie Rosa Luxemburg 1919 auch von rechtsradikalen deutschen Judenhassern ermordet wurde.
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Krzysztof Pilawski, Holger Politt Rosa Luxemburg: Spurensuche

Zeitzeugen Bc3kf0

VSA-Verlag, Hamburg
152 S., 2020, ca. 25 Fr.



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joggelich
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Do Okt 08, 2020 10:17 am
Zeitzeugen 00a730c3_631e0c3a4698thkzo
Heute vor 53 Jahren
Das Ende von Che Guevara Am 8. Oktober 1967 wird der Revolutionär Ernesto «Che» Guevara in Bolivien von Regierungssoldaten gefangen genommen und erschossen. Zuvor hatte er sich am Aufbau der Volksbefreiungsarmee des Kubaners Fidel Castro beteiligt, war Präsident der kubanischen Nationalbank (1959-1961) und Industrieminister (ab 1961), brach jedoch 1965 mit Castro. Darauf tauchte er unter und ging Ende 1966 als Guerillaführer nach Bolivien. (red) Foto: Keystone
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Do Okt 15, 2020 2:11 pm

Zeitzeugen 15kj9i
Heute vor 80 Jahren
«Der grosse Diktator» Am 15. Oktober 1940 findet in den USA die Uraufführung von Charlie Chaplins Spielfilm «Der grosse Diktator» statt - eine Satire auf Adolf Hitler und den Nationalsozialismus. Chaplin spielt darin Anton Hynkel, der grosse Weltmachtfantasien hegt. (red) Foto: Keystone
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Do Okt 15, 2020 4:46 pm
Zeitzeugen Csm_750_0008_16115742tqkkr

https://www.wochenblatt.ch/wob/aktuell/dornachgempenhochwald/artikelseite-dornachgempenhochwald/?
tx_ttnews%5Btt_news%5D=101004&cHash=d1419f58240a9183e3781f7467e1e2ea

Heute:
https://de.wikipedia.org/wiki/Goetheanum

Ich sehe sowohl den bestehenden Rocheturm  als auch den Bau des 2. Turms, auch den 3. werde ich sehen, falls ich das noch erlebe. Das Goetheanum können wir ebenfalls gut sehen. Das spekulärste war allerdings der Komet Halley, den ich praktisch auf Augenhöhe betrachten konnte.

Joggeli
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Fr Okt 16, 2020 8:55 am
Zeitzeugen 123jjq

Heute vor 97 Jahren
Startschuss für ein Imperium In Burbank gründen Walt (l.) und Roy Oliver Disney am 16. Oktober 1923 das Disney Brothers Cartoon Studio, die spätere Walt Disney Company. Das undatierte Bild zeigt die Brüder Anfang der 1930er-Jahre. (red) Foto: Getty Images

Schon die 68er forderten seinerzeit "Donald for President".



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Monika56
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Fr Okt 16, 2020 11:06 am
Lieber Joggeli,

ein Unterschied besteht u. a. aber darunter, dass mich die Micky-Maus Hefte damals mehr fasziniert haben.
Besonders Donald-Duck, den man ein wenig mit der Hoffmann-Group vergleichen kann.

Herzliche Grüße
Moni


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joggelich
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Di Okt 20, 2020 12:40 am
Resümee
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Ich bin den Krieg eigentlich erst 1958 richtig innerlich losgeworden, als wir mit den Roten Falken nach Brüssel fahren konnten, wo eine riesige Versammlung war. Vorher, das war schwer. Dazu kam etwas, das sollte man vielleicht auch wissen, die ganzen 1950er Jahre hatte ich Angst vor dem nächsten Krieg. Da war nämlich immer so viel im Umfeld, die Sowjets, die Amerikaner, alle mit ihren schweren Atomwaffen.

Dann bauten sie sogar bei uns die Armee wieder auf. Ich wollte damals sogar aus Deutschland abhauen, in die USA, weil ich hier kein Soldat werden wollte. Die Schnauze hatte ich voll, ich habe als Kind gesehen, was das bedeutet. Ich war 6 Wochen zu alt, deshalb konnte ich hier bleiben und wurde nicht eingezogen. Aber das ganze Leben, das hatte eine ganz andere Sicht. Auch die Arbeit, wenn man morgens um 6 Uhr anfing als 13- oder 14-Jähriger, kam dann knapp vor 5 Uhr abends nach Hause, da hat man erst ein paar Stunden geschlafen, und es dauerte fast 1 ½ Jahre, bis sich der Körper dran gewöhnt hatte.
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Mädchen und Unbedarftheit
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Ich war ein Arbeiterkind. Die meisten Kinder und Jugendlichen hatten keine Väter mehr, die waren in Russland oder Afrika irgendwie unter der Erde. Damals bemühten sich die Frauen sehr, die mussten schuften für ihre Blagen. Wir hatten Jugendgruppen mit 18 Jungen, da war nur einer drin, der noch einen Vater hatte.

Diese ganze Gruppe hatte gelegentlich im Vorbeigehen gesehen, da ist wieder ein Fest oder so. Wir waren auch nicht neidisch, denn wir hatten eine ganz andere Welt. Mädels beispielsweise waren für mich Kameraden, wir haben nie daran gedacht unter den Rock zu gucken oder so, und auch die Mädels uns gegenüber, wir hatten ganz andere Verhältnisse, das war eine andere Welt. Wir hatten ja auch keine anderen Möglichkeiten.

Zum Thema Aufklärung: Ich bin unter Frauen groß geworden. Die Männer waren alle im Krieg, mein Vater war wochenlang, monatelang auf der Arbeit, wo Panzer gebaut wurden. Ich war also umringt von Frauen und Mädchen groß geworden. Ich hatte da keinerlei Probleme, auch später nicht. Ich habe meine Mutter mal gefragt, woher die Kinder kommen, sie hat es gut erzählt, und damit war das Thema für mich abgeschlossen.

Erste Liebe und große Enttäuschung

Bei den Roten Falken war ein Mädel, die war in der Oberschule, hoch begabt, aber sehr unpraktisch. Die hatte mal irgendeinen Mist gebaut und war ganz mit sich verkrampft. Ich kam ja aus der anderen Ecke und war praktisch veranlagt. Ich habe mir dann ein bisschen überlegt, wie ich ihr helfen könnte und habe einen Trick gefunden, wo sie sich mit retten konnte. Dann sagte sie ganz enttäuscht: Du bist ein richtiger Schuft. Als wir uns später in Heißen für die Falken ein Haus gebaut hatten, kam ich mal dort herein und hörte, wie sie hinten rief: Wo ist denn mein Schuft? Ich habe mich so mies gefühlt.

Da sie hochbegabt war, ging sie für ein ganzes Jahr zur weiteren Ausbildung in die USA. Kurz darauf kam sie nach Mülheim zurück. Als sie wieder rüber in die USA ging, sagte sie: „Ich besorge für dich jemanden, dann kannst du auch hinkommen.“ Man benötigte damals eine schriftliche Bestätigung eines Dritten, dass dieser im Notfall für mich bürgen und aufkommen würde.

Ich hatte alles organisiert und mein Geld zusammengehalten. Damals fuhr man mit Schiffen aus den Niederlande über den großen Teich, wie man sagt. Grote Bär hieß das Schiff, der große Bär, für das ich schon die Fahrkarte besaß. Dann kriegte ich auf einmal aus den USA per Fax die Nachricht, der Mann war arbeitslos geworden und konnte mich nicht mehr beschützen.

Isetta und Heirat

Na schön, ich habe mir stattdessen eine Isetta gekauft, weil ich ja nicht mehr weg konnte. Und dann kam meine Freundin – für uns war das eigentlich klar, wir wollten zusammenbleiben – aus den USA zurück mit einem dicken Bauch. Später habe ich dann erst erfahren, dass man sie betäubt hatte, irgendwie.

Aber ich war so niedergeschlagen und verletzt! Ich hatte sie mit der Isetta noch irgendwohin gebracht und dann nie mehr gesehen. Ich wollte sie auch nicht mehr sehen. Ich war so verletzt und enttäuscht! Ich glaube sechs, sieben Jahre habe ich gebraucht, bis ich wieder eine Freundin kriegte. Sie war wesentlich jünger als ich, und wir haben dann auch geheiratet und bis zum Ende – sie ist mit 61 Jahren gestorben – bestens zusammen gelebt.
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Willkommen im Wirtschaftswunderland
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Dann wurden für die Baustellen im Ruhrgebiet und Umgebung über die Feiertage immer Monteure gesucht. Das Wirtschaftswunder verlangte, dass die Werke voll in Betrieb sein sollten. Deswegen wurde es notwendig, an den Feiertagen die anfälligen Wartungen und Reparaturen in den Berg-, Walz- und sonstigen Werken durchzuführen. Mein Arbeitgeber war damals der AEG-Generator-Bau. Ich war damals froh, die harte und sehr beschwerliche Arbeit annehmen zu können. So verbrachte ich die nächsten fünf ‘heiligen Nächte’ in Ruhrort oder Bochum. Von 19 Uhr bis 7 Uhr in der Früh ging die Schicht.

Es wurde hart gearbeitet, gut bezahlt, und die Kollegen weinten nicht, so wie meine Familienmitglieder zu Hause. Zwischen meinem 19. und 24. Lebensjahr hatte ich Weihnachten zu arbeiten. Da es in der damaligen Zeit noch kein Urlaubsgeld gab, konnte ich damals meine sommerlichen Radtouren vom Weihnachts-Mehrverdienst finanzieren.

Arbeitskollegen unter sich

Es hat uns nichts geschadet, dass wir hart arbeiten mußten. Ich bin in einer großen Firma ausgebildet worden, und später beim Einsatz im Kraftwerk musste man unbedingt zu den Kollegen Vertrauen haben, denn unsere Arbeit war lebensgefährlich. Folgende Dinge gehörten mit zur Disziplin, wenn es da hieß: Zeigt mal eben die Hände, ob die kräftig und schwielig sind. Das haben wir nie irgendwie übel genommen, das war einfach normal, das war auch wichtig in unserem Sinne. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Männer keine andere Arbeiten hatten, nicht so sehr zu Hause beschäftigt waren. Draußen auf den Baustellen waren die Kollegen äußerst wichtig. Wir haben 4 Tote in einem Jahr gehabt, als ich die Lehre beendet hatte. Darunter waren zwei – die kamen nicht von hier, die kamen aus dem Saarland – die haben nicht mitgespielt. An solchen Ereignissen wächst man – es ist selbstverständlich, diszipliniert mit den Kollegen zu arbeiten.

Kraftwerks Union

In den letzten Jahren meines Berufslebens arbeitete ich bei der KWU (Kraftwerks Union) in Mülheim. Wir testeten unter anderem neu entwickelte Generatoren mit Supraleitung. Supraleitung bedeutet, dass in den Kabeln und Wicklungen des Generators ganz tiefe Temperaturen verwendet werden, daher geringer elektrischer Widerstand. Dadurch können die Maschinen deutlich kleiner und leichter gebaut werden. Supraleitende Maschinen brauchen aber eine Kühlung durch flüssiges Helium. Dies heißt wieder eine umfangreiche Anlage zur Herstellung des flüssigen Heliums. Die Betreuung der Test- und Mess-Stände während der Entwicklungsarbeiten war Teil meiner Aufgaben bei der KWU.

Werkswohnungen

Werkswohnungen gehörten der Firma und wurden in der Firma selbst verteilt. Ich habe auch in mehreren gewohnt. Da gab es eine ganz interessante Sache in den 1960er Jahren, denn es war hier sehr, sehr schwer Wohnungen zu bekommen; die Wohnungsnot nach dem Krieg war einfach groß.

Wir hatten dann Arbeiten bei der AEG, Konkurrenz von Siemens – später sind wir zusammengeführt worden. Dann war mein Kollege so weit, der ging zum Chef und sagte: „Ich brauche eine Wohnung.“ Der war ein bisschen dumm, der Mann, hatte auch bei seiner Arbeit nicht besonders viel geleistet. „Wenn Sie mir keine Werkswohnung geben, werde ich sofort kündigen.“ Wobei das damals so war, Facharbeiter, die wurden dringend gebraucht, da war vor jeder großen Firma ein großes Schild: Wir brauchen Maschinenschlosser, Dreher und Schweißer usw.

Von der Firmenseite her wurden wir nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst, aber man wurde gut behandelt. Dann sagte der Chef: „Nein, erpressen lassen wir uns nicht, wenn Sie gehen wollen, dann gehen Sie.“ Jetzt kam ich an der Reihe, bin zu dem gleichen Chef hin und sagte: „Ich brauche ein Zwischenzeugnis.“ –„Wie“, sagte der, „Sie wollen aufhören?“ Meine Mutter wohnte noch in einer Firmenwohnung, das war auch eine Werkswohnung von der Hütte, die ich gerne gehabt hätte. „Ich werde heiraten im kommenden Jahr, und meine Mutter wohnt in einer Wohnung, die dem Werk gehört“, erwiderte ich. Da versicherte er mir, sie hätten lieber einen Arbeitenden drin als eine alte Frau. „Ja“, sagt er, „wollen Sie denn unbedingt ein Zeugnis? Wenn ich mich jetzt hier um Sie bemühe, bleiben Sie dann bei uns?“ Zwei Tage später wurde ich zu dem Fachmann gerufen, der das Ganze bearbeitete, und der tat dann so, als hätte ich mich schon vor mehr als zwei Jahre angemeldet … und: 3 Monate später hatte ich eine Wohnung von unserer Abteilung!
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Lehre
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Mein Großvater hatte einen Meisterbrief, mein Vater hat eine ganze Zeit keinen Titel bekommen. Er war aber in seiner Firma sehr bekannt, und es war selbstverständlich, dass ich auch dort arbeiten würde. Der Meister, der die Lehrlinge ausbildete, war der Freund meines Vaters.

Vorstellung und Einstellungstest

Mein Vater sagte: „Geh mal hin, stell dich vor.“ Bei der Vorstellung guckte mich der Meister Bruno Becker an. „Zimbehl“, sagte er, und schaute mich weiter an. „Ja“, sagte er, „selbstverständlich stelle ich dich hier ein, aber du musst zuerst die Prüfung bestehen, sonst ist nichts zu machen.“

Man muss aber wissen, es hatten sich 240 Jugendliche beworben. Seine Zusage war also schon sehr vielversprechend. Ja, dann kam die schriftliche Prüfung, die Texte wurden diktiert. Da wollten sie mich rausschmeißen – ich wäre schon informiert, hat man gesagt. Da ist etwas zu Tage getreten, woran ich nie gedacht hatte. Es wurden die Aufgaben diktiert. Zum Beispiel ging es meinetwegen damit los, im Haus Nummer 24 in der 3. Etage, 42 Stufen, 7 Kinder, unten die Straßenbahn Nr. 14 fährt bis zur 3 … und solche Sachen mit wahnsinnig vielen Zahlen, es wurde zweimal vorgelesen. Das Ergebnis habe ich schon nach dem ersten Vorlesen schnell hingeschrieben. Da kamen die Prüfer zu dem Schluss, das könne keiner wissen, das muss schon vorher jemand erzählt haben. Fairerweise haben sie dann noch ein paar Aufgaben für mich zusammengestellt, und ich habe es tatsächlich gekonnt.

Da wurde mir klar, dass mein Kopf anders funktioniert. Ich konnte damals Sachen lesen und drei Monate später konnte ich das jederzeit wiederholen, ich habe ein photographisches Gedächtnis. Das hatte man damals aber nicht erkannt. Für mich ist es daher heute besonders schwierig, da ich eben kaum etwas noch zwei, drei Tage behalten kann.

Wir waren rund 80 Jungens, drei Meister übernahmen unsere Betreuung zusammen mit ein paar Gesellen, als ich 1954 mit der Lehre zum Maschinenschlosser begann.

Arbeiten in großen Fabriken

Wir hatten die 48-Stunden-Woche, und es wurde täglich pünktlich begonnen und pünktlich beendet. Als wir die Lehre schon beendet hatten, gab es ausnahmsweise auch mal eine 12-Stunden-Schicht. Einmal trat ein schweres Problem im Betrieb auf, und wir haben gesehen, dass die längere Schicht nötig war. Wir lebten ja davon, dass die Firma lief. Normalerweise wurden diese Dinge bei uns ganz präzise gemacht.

Auch als ich bereits in Lehre war, hatten wir um unser Leben zu kämpfen. Meine Mutter und ich hatten zusammen ungefähr rund 90 Mark im Monat, ich verdiente unter 55 Mark, davon musste ich 39 Mark für die Miete – das war eine Werkswohnung – bezahlen. Ich habe es auch direkt einbezahlt, damit es überhaupt pünktlich bezahlt wurde. Meine Mutter war schwerkrank, die hatte noch nicht mal Schuhsohlen, sie hatte Pappendeckel unter die Schuhsohlen geklebt. Wir sind zweimal ausgebombt worden, wir mussten alles aus dem Nichts heraus wieder neu anschaffen.
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Schule
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Unsere Familie war immer sehr neugierig. Für uns hieß es immer: Du musst ernsthaft lernen, nicht nur in der Schule. Lesen und Schreiben brachte mir meine Schwester bei, Rechnen der Vater, und zwar alles vor meiner Einschulung. Denn man muss wissen, dass die Schulen noch vor einer etwaigen Einschulung meinerseits im Krieg geschlossen wurden. Ich kam also erst mit neun Jahren in die Schule.

Wir hatten immer über 30 Schüler in einer Klasse – bis zu den letzten Jahren. Ich hatte den Eindruck, dass meine Klasse nicht gerade die beste war. Dabei sollte man auch wissen, dass die Eltern mancher Schüler hoch interessiert zu sein schienen, die anderen haben das so laufen lassen. Früher hatten wir in unserer Klasse so drei, vier, fünf, die waren interessiert und wurden auch von den anderen hoch angesehen. Wenn dann etwas im Unterrichtsstoff war, was die Kameraden nicht verstanden haben, guckten sie sich gegenseitig an, fanden aber keine Lösung.

Als wir die Schule beendeten, hatte ich mit drei anderen Kameraden die besten Zeugnisse. Wobei man wissen muss – unser Schullehrer sagte, wir machen keine Einser, bei uns gibt es immer nur Zweier. Wenn ihr eine Eins hättet, wäret ihr genauso gut wie wir. Jedenfalls gingen da 6 in die Oberschule. Von den 6 waren 5 reichlich mittelmäßig, ein Mädchen war dabei, die hatte wirklich was im Kopf. Aber die Eltern der 5 konnten das Schulgeld für die Mittelschule aufbringen, wir nicht.
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1944 – 1946
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Wir wurden zweimal ausgebombt. Nach der letzten Evakuierung und „Heimkehr“ bekamen wir in Mülheim-Oberbroich eine Wohnung. Der uns zugleich zugewiesene Platz im Bunker war in nicht allzu großer Entfernung und daher gut im Bedarfsfall erreichbar.

Inhalt
1 Weihnachten im Krieg
2 Kriegsende
3 Unser Leben nach dem Krieg
4 Wohnen nach dem Krieg
5 Die Roten Falken

Weihnachten im Krieg

An Heiligabend 1944 kam eine Gruppe des BDM (Bund Deutscher Mädel) in den Bunker, und die Mädchen sangen Weihnachts- oder besser gesagt Sonnenwend-Lieder, etwa ‘Hohe Nacht der Klaren Sterne’ und ‘Der Sunnwendmann’. Es kam auch so eine Art Nikolaus. Der verschenkte nichts, aber er vermöbelte einige Rangen, welche irgendeinen Fehler gemacht hatten. Ich sollte auch Hiebe bekommen; denn mein Fehler war, dass meine Eltern als ‚Rote’ verschrieen waren. Angst hatte ich selbstverständlich. Ein SS-Mann, der Sohn von Nachbarn, in voller schwarzer Uniform mit dem Totenkopf an der Mütze, hatte Erbarmen mit mir, und er verjagte den ‘Heiligen Mann’. Ich war dem ‘schwarzen Mann’ damals sehr dankbar. – Ein Kind in einem der KZs hatte sicher andere Empfindungen bei seinem Anblick.

Dann sickerte die Nachricht durch, dass der Bunker am Flughafen einen Volltreffer erhalten hatte und viele Tote zu beklagen waren, darunter auch die BDM-Gruppe, zu welcher meine Schwester gehörte. Sie hatte aber mit ihren 16 Jahren Dienst an der Front und war deshalb nicht bei den Toten. Ihre Gemütsverfassung, als sie vom Tod all ihrer Kameradinnen erfuhr, kann man sich ja wohl vorstellen.

Kriegsende

Ich war damals 8 Jahre alt, als die Amerikaner einmarschierten. Ich habe aber nie einen laufen gesehen, denn sie sind immer nur gefahren. Da war noch was ganz Lustiges passiert: Uns gegenüber standen große Fahrzeuge, LKWs. KITCHEN stand da drauf – und man muss wissen, wir waren ja Arbeiterkinder, waren schön dumm, Fremdsprachen gab es erst später, keiner konnte außer Holländisch und außer Deutsch und Mölmsch-Platt eine andere Sprache. Da sagt mein Vater: „Nun guck dir das mal an, die haben sogar fahrbare Gefängnisse.“

Unser Leben nach dem Krieg

Zu Hause war die Verpflegung und die allgemeine Lage schlecht. Meine Eltern waren beide krank, meine Mutter hatte rheumatische Beschwerden, mein Vater das Herz kaputt, der konnte die 52 Stufen der Treppen zu unserer Wohnung nicht mehr rauf. Da blieb dann meine Schwester über, die war 9 Jahre älter als ich, sie musste sehen, dass sie Geld verdiente. Sie arbeitete recht bald in der Bücherei, als die Gewerkschaft anfing sich aufzubauen, und führte dort die Kasse; nebenbei machte sie noch eine Ausbildung. Sie musste dafür sorgen, dass wir was zu essen kriegten. Wir hatten natürlich, da mein Vater so viel gearbeitet hatte, massenhaft Geld, doch es war wertlos. Bei der Eisenbahn, der Post, Straßenbahn, also bei allen offiziellen Stellen, da war das Geld noch was wert, ansonsten haben wir damit gespielt.

Wohnen nach dem Krieg

Wir wohnten damals an der Duisburger Straße Nr. 81, das Haus steht heute noch. Nachdem wir an der Bergstraße Nr. 8 total ausgebombt waren, kriegten wir eine ganz normale Wohnung. Wie der alte Bau aussah, in dem ich geboren wurde? Keine Elektrizität, kein Wasser und keine Toiletten usw., das war ein Bau – wie soll ich sagen – aus den Anfängen der Kaiserzeit. Das war damals ein ganz normales Miethaus. Wir wohnten im Arbeiterviertel, die brauchten sich ja nicht waschen. Ja, so war das damals.

Bis zu der Zeit, als die DM eingeführt wurde, haben wir mehrfach hungern müssen. Aber wir waren nicht alleine. Aus der ehemaligen Fabrik kamen die Kollegen manchmal und halfen. In der Fabrik gab es was zu essen, so einen Pott. Später kriegten wir auch in der Schule, in der Hauptpause, einen Pott Eintopf.

Nach dem Krieg bezogen wir für damalige Zeiten ein hochmodernes Gebäude, da gab es Wasser bis in die oberen Etagen, natürlich auch einen Abfluss, es gab eine Toilette, eine Badewanne sowie Gas und Elektrizität. Wir kamen uns vor wie im Himmel. Der Hauswart/Besitzer, das war ein Nazi mit 150 %. Dessen Tochter war mit meiner Schwester in einer Klasse. Als die gehört hatte, dass im Krieg unser Haus abgebrannt war, versprach sie, mit ihren Eltern zu reden.

Ich bin bis heute noch im Zweifel, ob der Hausbesitzer uns die Wohnung zuwies, weil seine Tochter das so wollte – denn die Nazis waren ja nicht alle Verbrecher, es gab ja auch ordentliche Leute. Oder ob er das gemacht hatte, um uns zu helfen oder schon gedacht hat, wenn der Krieg verloren geht, dann haben wir die richtigen drin … ich weiß nicht.

Als ich die Lehre beendet hatte, versicherte ich meiner Mutter, jetzt finanziell mit anzupacken. Dann schafften wir erst mal Möbel an, aber es war nichts drin, nicht mal Teller, kein Essen, wir mussten alles beschaffen. Nach 2 ½ Jahren sagte ich zu meiner Mutter: „Jetzt bist du wieder auf dich gestellt, jetzt muss ich mein Geld für mich haben. Ich gebe dir Kostgeld.“ Ja, ich war großzügig dabei, mit dem Rest habe ich dann gelebt.

Die Roten Falken

1946 wurden die Falken als Jugendorganisation wieder hier in Mülheim, die ja im Dritten Reich verboten waren bzw. sich selbst aufgelöst haben, zugelassen. Mein Vater schickte mich hin, weil er in der Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit diese Jugendgruppen in Mülheim bis zu deren Verbot in der Nazizeit geleitet hatte. Ich war damals 8 Jahre alt. Ich hatte damals aber keine Lust, ich wollte nicht. Er hatte gesagt: „Pass mal auf! Ich habe dich noch niemals kommandiert. Du gehst jetzt dahin, und wenn dir das nicht gefällt, kannst du wegbleiben. Aber du musst dir das auf jeden Fall ansehen.“

Ja, ich war da, und ich bin dann erst mit 20 Jahren wieder da ausgestiegen, weil ich das mit dem Alter nicht mehr so vertragen konnte. Da war wieder das Gute: Wir haben uns am Anfang einfach nur mittwochs morgens getroffen in einer Gegend, später dann in einer Wirtschaft mit einem großen Saal. Eine ältere Frau spielte dort gut Klavier, da haben wir Volkstänze getanzt, und ich war ein guter Tänzer. Ich habe heute noch die Fußbodenschablonen, auf denen die Tanzschritte geübt wurden. Jedenfalls das war für mich die helle Seite.

Schon ab 1946 und dann jedes Jahr stellten wir in Mülheim-Uhlenhorst auf einer großen Wiese, die es jetzt nicht mehr gibt, unsere Zelte auf. Die Arbeiterwohlfahrt hatte dort ein Holzhaus, da gab es zu essen, und da haben wir uns oft getroffen. Mindestens einmal im Jahr gab es dort ein großes Zeltlager.

Durch die Zeltlager-Kultur kamen wir dann in die verschiedensten Ecken der Bundesrepublik, angefangen hier in Hünxe. Neben dem Lagerplatz gab es einen Wasserlauf, dort konnten wir uns waschen. Wir waren auch in Jugendherbergen, dort konnten wir kochen. Wir hatten Begegnungen mit Leuten, die mehrere Sprachen beherrschten, darunter mein späterer Schwager. Er war ein bisschen älter als ich und kam aus einer Familie, in der es schon über viele Generationen Lehrer und Ausbildende gab. Er hat die Organisation geführt. Morgens um halb sieben wurden wir geweckt, dann musste das Zelt aufgeräumt werden, anschließend konnten wir uns waschen. Zum Rasieren war es noch nicht so weit. Um halb neun war das Essen fertig, dies kam in große Tröge, da wurde sich dann versammelt und ein Lied gesungen. Morgens stand Sport auf dem Tagesplan, oder es wurden Wanderungen unternommen, aber es gab natürlich auch Unterricht in verschiedenen Fächern. In den Zeltlagern selbst war es alles sehr schön.

Später fuhren wir mal ins Sauerland, dann in die Eifel, und einmal sogar bis nach Bayern, in die Nähe von Neuschwanstein. Der bayrische König Ludwig hatte dort sein Geld verbraten. Das Schloss wurde damals noch von der deutschen Bundeswehr als Holzlager verwendet. Die Lager bestanden aus über 20 Dörfern mit etwa bis zu 20 Zelten. Alles war demokratisch organisiert, denn die Kinder wählten einen Oberbürgermeister. Wir waren bis zu 4000 Leuten, die aus ganz Europa kamen, wie z.B. aus Dänemark, Finnland, Italien, Frankreich, England und Holland.
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Auswirkungen des Nazi-Regimes
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Der Bruder meiner Mutter wurde Richtschütze in der Marineartillerie. Zu Hause amüsierte man sich, denn man muss wissen, dass der Onkel eine Brille mit sehr dicken Gläsern trug: Er konnte nicht einmal die Mündung der Geschütze erkennen. Später, als er uns in seinem einzigen Urlaub besuchte, erzählte er, dass er Handräder zu drehen und Skalen zu beobachten hatte. In diesem Urlaub hatte der Onkel sich mit meinem Vater – sie verstanden sich sehr gut – viel zu erzählen.

Verfolgung der Sozialdemokraten

Meine Eltern waren Sozialdemokraten, wurden von den Nazis verfolgt und waren dauernd in Angst um ihr Leben. Mein Vater war deswegen schon seit 1935 sogenannter kriegsdienstverpflichter Zivilist. Er wurde zum Panzerbau eingesetzt (entweder auf dem Panzerbaugelände in Essen-Borbeck oder auch in Duisburg in der Nähe des Rheins). Die Arbeit war sehr mit Strapazen verbunden, da der Arbeitstag im Panzerbau 16 bis 18 Stunden betrug. Der Leiter dort, ein strammer Nazi, machte viel großes Geschrei, aber er hatte keinerlei Ahnung. So leitete eigentlich mein Vater dort die Abteilung.

Gewöhnlich sahen wir unseren Vater wochenlang nicht. Der berühmte Panzergeneral Guderian kam öfter mal ins Werk, und dann wurden vermehrt Panzer gebaut, ohne Pause. Vater bekam im Werk zu essen, und man hatte Pritschen zum Schlafen für das Produktionspersonal aufgestellt. Die schöne Seite war, dass mein Vater Kollegen hatte, die uns schon mal was zu essen brachten. Ich hatte damals beispielsweise keine richtigen Schuhe, aber Holzklumpen nach Holländer Bauart. Da hatten sie welche zu verteilen.

Drei Tage, bevor die Amerikaner in Mülheim einrollten, war mein Vater zu Hause geblieben, er konnte gesundheitlich einfach nicht mehr. Die Folge war, dass wir auch nach Ende des Krieges – bis ich meine Lehre beendet hatte – materiell ganz mies dastanden.

Ahnung von KZs und NS-Gräuel

In meinem Elternhaus wusste man seit 1943, dass in den KZs etwas Furchtbares geschehen musste. Die KZs selbst waren bekannt, aber was darin geschah, hatte man nicht gewusst. Ein Onkel von mir, der sich freiwillig bei der Kriegsmarine in Brest in der Bretagne gemeldet hatte, um Torpedos zu begleiten, sagte nach einem Einsatz mal, dass er das nie mehr mache, denn das sei sehr gefährlich. Nebenbei erzählte er noch, dass er unterwegs an Eisenbahnen vorbeigefahren sei. Dort war der Gestank nach Toiletten und anderen Gerüchen so gross, dass da furchtbare Dinge passiert sein mussten.

Mich ärgert es heute noch, wenn ich im Fernsehen sehe, wie angebliche Experten behaupten, die Leute haben alles von diesen schlimmen Verbrechen gewusst, denn es stimmte nicht. Meine Eltern waren Sozialdemokraten, wir waren sehr feindlich gegenüber den Nazis, aber nicht gegen Deutschland. Die hätten immer von solchen Gräueltaten gewusst, wenn man etwas hätte wissen können, denn die hatten auch Kontakt untereinander.
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Die Bombardierung meiner Kindheit
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Da die Ruhr als Transportweg für die großen Kohlenmengen diente und ein niederländischer Unternehmer in Mülheim eine Werft baute, siedelten sich niederländische Familien schon im 18./19. Jahrhundert in Mülheim an. Sie prägten Handel und Wandel in dieser Zeit. Die Sprache wurde ebenfalls durch die geschäftstüchtigen Neubürger ein wenig verändert. Daher ist unser Mülheimer Platt eine Sprachinsel inmitten des sonst westfälischen und rheinischen Sprachgebietes. Viele alteingesessene Familien tragen deshalb auch niederländische Namen als da sind: Wilms, Terjung, Clasen, van den Boom, Becken usw. Durch die gewährte Religionsfreiheit wurden auch Hugenotten nicht nur bis in den Berliner Raum angelockt, sondern es fanden auch einige bei uns ihre Heimat.

Flutwelle aus der Möhnetalsperre

Neben uns wohnte in einem Zimmer eine alte Frau, ihr harter Akzent ließ sie – sobald sie nur den Mund aufmachte – von den Einheimischen abstechen, sie sprach ein besonders ausgepägtes Mölmsch Platt. Eines Morgens rief sie uns aufgeregt zu: „Haben Sie denn nicht gehört, im Lautsprecher?“ Hatten wir nicht, denn in der Nacht davor hatten wir wieder eine Sitzung in unserem Bunker absolviert und waren bleiern müde. Die erwähnten Lautsprecher waren auf mit einem Holzvergaser versehenen Fahrzeug umhergefahren worden. Man forderte uns – also die Bevölkerung mit Wohnort nahe der Ruhr – auf, das Wichtigste zu packen und höher gelegene Stadtteile aufzusuchen. Eine spezielle Bombe der Royal-Air Force hatte die Möhnetalsperre am Oberlauf der Ruhr getroffen und sie auseinandergerissen. Eine Flutwelle befand sich im Anrollen.

Da das Haus meines Onkels in Saarn auf einem höheren Punkt in Mülheim lag, gaben wir uns dort die Ehre. Meine Tante guckte zwar ein bisschen scheel, aber sie nahmen uns auf. In der Nacht wurde ich aufgeweckt, und jemand sagte zu mir: „Pass gut auf, das musst du sehen, dies musst du später, wenn du erwachsen bist, an deine Kinder weitergeben, so etwas hat es noch nie gegeben.“ Es war eine mondhelle Nacht, daher war die Sicht gut. Dann kam es: Unser Ruhrtal füllte sich, und es bildete sich eine silberglänzende Fläche, in denen dunkle Gegenstände mit rascher Fahrt flussabwärts drifteten. Einige der Erwachsenen hatten Nachtgläser und kommentierten die von ihnen erkannten Gegenstände – ich konnte auch einige Male hindurchsehen. Es war furchtbar, Menschen, Tiere, Hühnerställe, Teile von Fachwerkhäuser, Sträucher, Bäume und immer wieder dunkle Gestalten trieben in Fahrt her und immer mehr Wasser. Das Weitergeben an Jüngere hat sich aber als problematisch erwiesen. Es konnte sich unter dem Druck des Geschehens damals, niemand vorstellen, dass es einmal eine Generation geben würde, die kaum ein Interesse an den ollen Kamellen zeigt. – Unser Haus wurde, da im Schutz der Mülheimer Stadthalle gelegen, verschont, und nicht einmal der Keller wurde überflutet.
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Kindheit im Krieg
19. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Von Erzählungen meiner Schwester und meiner Mutter erfuhr ich, dass ich bei meiner Geburt 1937 ein außerordentliches Gewicht hatte – ich wog 6400 g. Diesen Abstand zur normalen Größe behielt ich bis zur Pubertät bei, dann war ich von meinen Altersgenossen äußerlich nicht mehr allzu sehr zu unterscheiden. In der Bergstraße, wo ich wohnte, verschaffte mir dieser Umstand die Ehre, fast immer alleine gegen die Meute meiner Mitschüler stehen zu können, aber mein Riesenwuchs war so bedeutend, dass ich bei allen Raufereien gut bestehen konnte.

Inhalt
1 Zieht euch an und geht ins Bett
2 Bekleidung in der Not
3 Der Reiz der Uniformen
4 Wohnen in der Kriegszeit

Zieht euch an und geht ins Bett

Ich bin quasi in den Krieg hinein geboren worden, bin ja Jahrgang 1937, also zwei Jahre vor Kriegsbeginn. „Zieht euch an, geht ins Bett!“ – Dieser Satz ist einer der ersten, an die ich mich erinnern kann. Gemeint war die abendliche Prozedur von Vorbereitungen für die bevorstehende Nachtruhe. Wenn wir Kinder ins Bett kommandiert wurden, bedeutete das, dass wir beim abendlichen Fliegeralarm fluchtfertig zu sein hatten. Bis auf Schuhe und Mütze waren wir dann komplett angezogen. Die hohen Schuhe waren mit Haken versehen, nicht mit Ösen, damit konnte man sie schneller schließen, und zwar so eng, dass man in den Bunker kam, ohne sie zu verlieren. Verschlafen und bleiern müde wie wir immer waren, kam dieser Verlust doch leider öfter vor. Da die Nachbarinnen mit ihren Kindern die gleichen Probleme hatten, wurde immer ehrlich nach dem verlorenen Schuh gesucht. So kam es, dass trotz des herrschenden Mangels wenigstens unsere Füße immer in Schuhen steckten.

Bekleidung in der Not

Für meine 9 Jahre ältere Schwester stellten die Schuhe eine wahre Prüfung dar. Man kann sich kaum etwas Hässlicheres als Kleidung vorstellen, als aus Militärdecken selbstgeschneiderte lange – und wie unsere Mutter immer betonte – warme Hosen, aus denen die Füße in den immer hohen Schuhen steckend hervorragten. Ich hatte auch meine Modeprobleme. Oma und auch meine Mutter waren begabte Handarbeiterinnen. Mir hatte eine dieser Ignorantinnen eine rote Mütze mit drei quer angeordneten dicken unübersehbaren kugelförmigen Plümmeln (wolliger Ball auf der Mütze) verpasst. Besagte rote gestrickte Mütze mit 3 Plümmeln versehene Scheußlichkeit wurde von mir täglich – oder besser gesagt nächtlich – planmäßig verloren; aber wie oben schon gesagt, man fand das gute Stück immer wieder, ohne eine einzige Ausnahme. Mutter holte das Monstrum vom Fensterbrett des nachbarlichen Hauses.

Ich schämte mich furchtbar, denn das Ideal war für mich zu dieser Zeit das schicke schwarze und leicht schräg zu tragende Schiffchen des Deutschen Jungvolkes. Auch die Uniform der Pimpfe, zu der ein mit dem HJ-Abzeichen versehenes Fahrtenmesser gehörte, hat mich sehr beeindruckt. Aber der Clou wäre das mit dem Schiffchen gewesen.

Der Reiz der Uniformen

Später bei Kriegsende hatte ich schon einen etwas erwachseneren Geschmack. Zu der Zeit schien der schwarze Stahlhelm der SS die einzig wahre Kopfbedeckung für mich zu sein. Die kurz bei dem Einmarsch der Amerikaner verlassenen Büros der örtlichen NSDAP wurden von den Jungens nach brauchbaren Dingen, wie z.B. Schreibmaschinen usw. durchsucht. Mein Streben nach dem schwarzen Helm war ungebrochen und – wie nicht anders zu erwarten – auch von Erfolg gekrönt. Die Begeisterung meiner Eltern hielt sich in sehr engen Grenzen. Aber, wie meine Mutter mir selbst später oft erzählte, waren sie andererseits froh, dass ich nicht schon als 8-Jähriger eine kriminelle Art hatte, die Dinge zu bewerten.

Wohnen in der Kriegszeit

Es gab damals schon wegen der vielen Zuwanderer einen argen Wohnungsmangel in den Städten des Ruhrreviers, in denen man die großen Fabriken aufgebaut hatte. Man nahm, was man kriegte. Unser Haus hatte keinen Strom, Wasser gab es nicht auf den Etagen, geheizt wurde mit dem Küchenofen, eine Toilette gab es nur auf Parterre. Bis dahin sah man die Frauen mit den Nachttöpfen in den Händen die Treppe hinunter wandern.

Damals war es nicht selbstverständlich, dass man eine Berufsausbildung hatte. Mein Vater hatte wie seine Geschwister einen praktischen Beruf erlernt. Daher konnte er Rohre verlegen, und weil er technisch wach war, auch einfache Stromkabel samt Stecker, Schalter und Sicherungen. Der Hausherr übernahm die Kosten für das Material, und mein Vater legte bei uns im Haus den Strom und das Wasser bis in die obersten Etagen. Der Strom ging bis in ein Zimmer pro Wohnung, nur bei uns gab es elektrisches Licht in allen Räumen. Wasser und dessen Abflussleitung reichten nur bis in die Etagen. Im Flur konnte dann Wasser geholt und ausgegossen werden. Dort montierte er gusseiserne emaillierte Ausgüsse. Bei uns wurde zusätzlich ein Spülstein mit Abfluss in die Küche verlegt.
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Alfred Zimbehl
14. Oktober 2020 von Brigitte Reuß

Profil

Herr Albert Zimbehl wurde 1937 in Mülheim an der Ruhr geboren.Während seiner ersten Lebensjahre lebten seine Eltern und Großeltern noch. Herr Zimbehl stammt aus einer klassischen Arbeiterfamilie. Seit Generationen waren die Zimbehls Sozialdemokraten. In der NS-Zeit hatte die Familie aus politischen Gründen dauernd Angst um ihr Leben. Der Vater wurde1935 als Zivilist kriegsdienstverpflicht. Er arbeitete in Duisburg in einer Panzerfabrik.

Die Kriegszeit und die Bombennächte erlebte Alfred Zimbehl in Mülheim an der Ruhr. Die 9 Jahre ältere Schwester musste während der Kriegszeit für den Unterhalt der Familie mit sorgen. Die Familie wurde zweimal ausgebombt. Rasch nach dem Krieg erkrankte der Vater schwer an einem fortschreitenden Herzleiden, auch die Mutter war schwerkrank.

Mit 8 Jahren schloß sich Alfred Zimbehl auf Wunsch seines Vaters den wieder gegründeten Roten Falken, einer Jugendorganisation der SPD, in Mülheim an. Die Grundschule besuchte Herr Zimbehl in Mülheim dagegen kriegsbedingt erst ab 1946, da war er schon 9 Jahre alt. Nach Beendigung der Volksschule absolvierte er eine Lehre als Maschinenschlosser. Später erwarb Herr Zimbel in diesem Beruf den Meisterbrief. Er arbeitete in verschiedenen Großfirmen, davon zwischenzeitlich 6 Jahre in Bayern (1969 – 1975). In seinen letzen Berufsjahren arbeitete Herr Zimbehl bei der Firma KWU (Kraftwerks Union, eine Gemeinschaftsfirma von Siemens und der AEG) in Mülheim an der Ruhr.

Er heiratete eine deutlich jüngere Frau und hatte mit ihr eine Tochter. Sie blieben zusammen, bis seine Ehefrau mit 61 Jahren verstarb.

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Monika56
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Di Okt 20, 2020 9:03 am
Lieber Joggeli,

danke für diesen Bericht.
Vieles davon erinnert mich an meine Eltern und den Großeltern.
Viele Erzählungen von ihnen, und viele ähnliche Erinnerung aus dieser Zeit sind bei mir haften geblieben.
Auch ich hatte Interesse daran, den "roten Falken" beizutreten. Leider ist nichts daraus geworden.

Moni
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joggelich
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Mi Okt 21, 2020 7:53 am
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Heute vor 52 Jahren

Traumhochzeit   Er besass Hunderte Öltanker, er besass zwei Pässe - den griechischen und einen argentinischen -, er besass eine Insel in der Ägäis; und ab dem 20. Oktober 1968 besass Aristoteles Onassis auch den Trauschein mit einer der damals bekanntesten Frauen der Welt: Jackie Kennedy, Witwe des erschossenen US-Präsidenten. Die Promi-Ehe galt als kostspielig, und bald auch als missglückt. Onassis starb 1975 in einem Pariser Spital, kurz bevor er die Scheidung einreichen konnte. (sr) Foto: Keystone
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Do Okt 22, 2020 4:41 pm
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Heute vor 58 Jahren
Kennedy droht Chruschtschow Der 22. Oktober 1962 war einer der bedeutendsten Tage der Kubakrise: In seiner Fernsehansprache informierte US-Präsident John F. Kennedy über die sowjetischen Raketen auf Kuba und verkündete den Beginn der Seeblockade für den 24. Oktober. Er forderte den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow zum Abzug der Raketen auf und drohte für den Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. Ab diesem Zeitpunkt war die Kubakrise öffentlich. (red) Foto: Ralph Crane (Getty Images)
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Mi Okt 28, 2020 2:31 pm
Zeitzeugen 302kb5

Heute vor 55 Jahren
Orden für den Rock ’n’ Roll Am 26. Oktober 1965 verleiht Queen Elizabeth II den vier Beatles-Mitgliedern Ringo Starr, John Lennon, Paul McCartney und George Harrison (v.l.) den Orden «Member of the British Empire» für ihre Leistungen in der britischen Musikwelt. Der Premierminister Harold Wilson, selbst ein Fan, hatte die Rock-’n’-Roll-Band zur Ehrung vorgeschlagen . (red) Foto: Keystone

Baz, 26.10.2020
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Do Okt 29, 2020 5:54 pm
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Brigitte Reuß
Mein Name ist Brigitte Reuß. Ich war im November 2011 Mitbegründerin der Zeitzeugenbörse Mülheim an der Ruhr.

Eins meiner vielen Interessen war immer schon, das aktuelle politische Geschehen in einem größeren historischen Zusammenhang zu sehen. Was mit Einzelschicksalen in ihrer jeweiligen Zeit passiert, habe ich schon in die Wiege gelegt bekommen, denn beide Eltern waren nach dem 2. Weltkrieg Flüchtlingskinder, mein Vater sogar noch Kindersoldat. Erst nach meiner Pensionierung konnte ich mich mit den Folgen dieser schrecklichen Zeit in der deutschen Geschichte beschäftigen und damit auch mit den Ursachen.

Bei meiner Arbeit ist mir ganz wichtig, immer auf das Alter der Erzählenden zu achten und immer danach (auch der Zuhörer sich selbst in seiner Biografie) zu fragen, inwieweit das politische Bewusstsein schon vorhanden war; und das ist bei jedem Menschen verschieden. Ich möchte ein Mosaikstückchen dazu beitragen, dass junge Menschen ihr persönliches politisches Bewusstsein bilden können; deshalb ist mir die Arbeit an Schulen eine Herzensangelegenheit.

Die Zeitzeugen fühlen sich manchmal unverstanden, wenn aus dem Heute Rückschlüsse nach Gestern geschlossen werden, frei nach dem Motto Warum habt ihr nichts gemerkt?, Wie konnte das passieren?, usw. Und genau hier ist der Punkt, an dem ein Austausch mit der jüngeren Generation stattfinden kann. Indem es den Zeitzeugen gelingt, dass sich die Schülerinnen und Schüler in die damalige Zeit versuchen hineinzuversetzen, können auch Bilder für das eigene Leben, für die eigene Zukunft entstehen.

Viele unsere Zeitzeugen haben schon längst die 80 überschritten. Zeit also, sie noch allerhand zu fragen!!
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joggelich
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Fr Okt 30, 2020 10:09 am
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Heute vor 97 Jahren
Gründung der Türkei Am 29. Oktober 1923 ruft Mustafa Kemal Atatürk die Republik Türkei aus und verlegt deren Hauptstadt nach Ankara. Das Bild zeigt Atatürk (vorne links) und seine Ehefrau Latifeh Hanin nach ihrer Hochzeit. Hanin trägt Hut statt Kopftuch - und lebt damit Atatürks Vorhaben für eine Westernisierung der Türkei vor. (red) Foto: Getty Images
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